Montag, 7. September 2015

Ich frag mal nach... bei Barbara Freier

„In Ruhe dem Gewerbe beim Abkacken zusehen“
 
Freitag Nachmittag, ein Gewitter zieht auf. Der Himmel pechschwarz, Regen klatscht an die Scheibe, das Donnern noch etwas entfernt.
Könnte der perfekte Einstieg sein für eine Folge der ehemaligen Erfolgs-Serie „Hinter Gittern“, in der Barbara Freier über ein Jahrzehnt lang eine Hauptrolle spielte.
Ich bin mit Barbara Freier verabredet, möchte von ihr wissen, ob diese Rolle, diese Serie für sie eher Fluch oder Segen war.


Mein Handy klingelt. „Guten Tag, hier ist Sarah von den SOS Kinderdörfern. Sie haben doch sicher schon gehört von der Hungersnot in Afrika, es geht ja durch alle Medien. Wissen Sie eigentlich, dass täglich…“ – „Entschuldigung, ich hab grad überhaupt keine Zeit“, unterbreche ich sie. - „Darf ich Sie nochmal anrufen?“ – „Ja, nächste Woche.“

So, jetzt aber Frau Freier anrufen. Die 67jährige lebt noch immer in Berlin. In einer kurzen Mail versicherte sie mir, mein Projekt fände sie spannend. Sie hebt nach dem zweiten Klingeln ab. „Barbara Freier.“ Ihre Stimme: warm. Ich seh sofort die JVA Reutlitz vor mir. Wo sind Walter und der Geier?
Ich entschuldige mich für die kurze Verzögerung, erzähle ihr vom Anruf der SOS Kinderdörfer. „Welch lustige Pointe, direkt zu Beginn“, freut sie sich.

Wieso?
Ist doch ein toller Auftakt für ein Gespräch. Ich könnte Ihnen eine tolle Geschichte über die SOS Kinderdörfer erzählen.
Sehr gerne. Meine erste Frage wär gewesen, was die beste Geschichte ist, die Sie erzählen können. Das passt ja gut.
Naja, die beste Geschichte ist es nicht.
Egal.
Ich arbeite ja nun als Sprecherin. Wenn man mich lässt. Ich wurde mal ausgesucht als Sprecherin für die TV-Spots der SOS Kinderdörfer. Ich fuhr also hin, 20 Leute am Set. Der Regisseur, seine Assistenten, der Art Director. Jeder quasselte rein. „Das war noch nicht persönlich genug“, „Das fand ich jetzt unpassend“. Als alles abgeschlossen war, kommt eine Dame zu mir und sagt: „Frau Freier, wir würden Sie gerne exklusiv haben. Ihre Stimme ist so toll, die hätten wir gerne nur für unsere Organisation.“ Ich stimmte zu. Ein paar Tage später kam ein Anruf meiner Agentur, der Oberboss der SOS Kinderdörfer hat abgelehnt. „Was? Das ist Barbara Freier, die das spricht? Das ist doch die von ‚Hinter Gittern’. Nee, die können wir nicht nehmen. Das können wir unserer Klientel nicht zumuten.“

Sie lacht. Ich bin fassungslos. Denke im ersten Moment, dass das nur erfunden ist.

Unglaublich. Ist Ihnen das öfter passiert, dass man gesagt hat „Nee, die Freier war doch mal in dieser Knast-Serie, die wollen wir nicht.“
Mir nicht. Aber ich weiß von ein paar Kolleginnen, die es nach ‚Hinter Gittern’ sehr schwer hatten. Und das lag nicht mal an der Serie an sich, sondern daran, dass man für RTL gearbeitet hat. Da wurde man schonmal abgelehnt mit den Worten „Nee, mit diesen RTL-Fressen arbeiten wir nicht zusammen.“

Nicht erfunden, klar. Wieso auch? Schon nach wenigen Sätzen ist zu merken: Barbara Freier ist ein ehrlicher Mensch, von Grund auf sympathisch. Geboren in Essen; die Ruhrpott-Schnauze kann sie auch. Und schon jetzt ist klar: das wird kein Gespräch, in dem „Hinter Gittern“ verklärt wird.
„Hinter Gittern“, die RTL-Knastsaga, startete 1997 mit mauen Quoten, punktete aber mit einem starken Ensemble und guten Geschichten. Das sprach sich rum. Die Quoten stiegen, „Hinter Gittern“ war der Quotengarant von RTL, der verlässlich jede Woche bis zu 7 Millionen Menschen anlockte.
Barbara Freier war Uschi König. Inhaftiert, weil sie im Affekt die Geliebte ihres Mannes erschoss. Später tötet sie noch einen Drogendealer und einen entflohenen Psychopathen, der sie zum Selbstmord überreden will.
Als die Quoten sinken, zieht RTL die Reißleine und nimmt „Hinter Gittern“ aus dem Programm. Über all das will ich mit Barbara Freier reden.
Aber auch darüber, wie es eigentlich anfing: ihre Karriere als Schauspielerin.
Das Problem – das eigentlich keines ist: meinen Fragenkatalog kann ich vergessen. Ich werde ab jetzt kein einziges Mal mehr draufschauen. Ich reagiere, improvisiere. Barbara Freier ist eine gute Gesprächspartnerin. Sie redet offen drauf los. Weiter!

Wird man denn tatsächlich abgelehnt, weil man für RTL spielte, weil man in dieser Serie spielte oder weil man tatsächlich nach einigen Jahren halt auf eine Rolle, auf einen Typ festgelegt ist?
Es ist sicher eine Mischung aus allem. Deswegen hab ich nach dem Ende von ‚Hinter Gittern’ auch gesagt: ich höre auf. Da war eine Entwicklung da, die einfach nicht mehr gut war und die ich mit meiner Vorstellung von der Arbeit als Schauspielerin nicht mehr vereinbaren konnte. Die Produktionsbedingungen wurden immer schlechter, die Bücher auch. Es musste alles nur noch billig sein und schnell abgedreht.
Ein grundsätzliches Problem der Branche?
Klar. Es wird überall gespart. Auch am Theater. Daher mein kompletter Rückzug. Es war mir nicht mehr autonom genug. Weil vor allem beim Fernsehen jeder reinquatscht. Es zählt da nicht mehr, was einer kann und wie gut er in seinem Job ist. Hauptsache, er arbeitet schnell und billig. Es geht auch lange nicht mehr darum, ob man eine gute Geschichte erzählen kann oder will. Es geht nur noch um Macht und Geld. Und mein persönliches Schicksal ist: ich passe nicht ins TV-Bild von heute. Heute will man fast ausschließliches was junges, knackiges sehen, am besten blond und mit dicken Titten. Das ist ein Phänomen des Privatfernsehens.
Vielleicht fehlen aber auch die guten Stoffe, die guten Geschichten?
Es gibt nur zu wenige, die sich trauen, auch mal ein Tabu zu brechen. Man muss Tabus brechen, damit Leute was daraus lernen können. Und schauen Sie Sich das Programm von heute an: es wird so vieles nur kopiert von amerikanischen Erfolgsformaten. Von ‚Dr. House’ gab es mal ein deutsches Pendant auf Sat1. Schrecklich. Als ob es hier in Deutschland keine eigenen Geschichten gibt, die man gut erzählen kann.
Und da wiederum fehlt es wohl an Mut?
Natürlich. Es übernimmt ja keiner mehr Verantwortung. Bei ‚Hinter Gittern’ quasselten damals auch alle rein: der Producer, der Assistant Producer, die Redaktion, der Head-Autor, irgendeiner vom Sender. Wenn man da mal etwas klären wollte, hieß es: „Da musst du den Redakteur fragen, dafür ist der verantwortlich.“ Der Redakteur sagt: „Das war die Vorgabe des Senders.“ Und so ging es immer weiter. Es fehlt grundsätzlich am Mut, etwas Eigenes zu schaffen. Was auch am Quotendruck liegt. Man hat ja keine Zeit mehr, etwas zu entwickeln, weil nach drei, vier Folgen die Sache aus dem Programm genommen wird. Die Folge ist, dass man eben lieber ein anderes Format kopiert. Das ist nicht so risikoreich, weil das die Leute schon kennen.
Und wenn mal jemand eine gute Geschichte erzählen will…
…dann guckt doch keiner mehr zu. Nehmen sie Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ als Beispiel. Wie sehr ihn das geschmerzt haben muss! Und es guckt keiner zu, weil das Fernsehen nicht mutig genug ist, dass auf einen attraktiven Sendeplatz zu stellen. Denn vorher muss ja noch Geld verdient werden mit Deppen-TV.
Das muss Sie als Schauspielerin, die den Beruf von Grund auf gelernt hat, auch sehr schmerzen.
Ach, ich hab eine gute Zeit in dem Beruf gehabt und mir hat es Spaß gemacht. Ich hab nur nach ‚Hinter Gittern’ erfahren, dass ich in dieser Entwicklung des Gewerbes keinen Platz mehr habe. Nietzsche hat mal gesagt: „Das Tragische an jeder Erfahrung ist, dass man sie erst macht, nachdem man sie gebraucht hätte.“ Aber es ist jetzt auch gut so: ich kann jetzt in aller Ruhe dem Gewerbe beim Abkacken zusehen.
Schauen sie viel fern?
Ausgewählte Sachen. Aber Bauern, die Frauen suchen, andere Frauen, die getauscht werden – das interessiert mich nicht. Und jeder lässt mal sein versifftes Badezimmer abfilmen. Das ist eine ganz schlechte Entwicklung.
Katy Karrenbauer, eine alte Kollegin aus ‚Hinter Gittern’-Zeiten machte es anders und ging in den Dschungel.
Wenn sie meint, dass das ihr Ding ist, soll sie das gerne weitermachen. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen.

Jetzt: bloß nicht nachhaken. Name-Dropping ist nicht das Ding von Frau Freier. Sympathisch.

Reden wir über Ihre Anfänge als Schauspielerin? Sie sind ja schon sehr früh angefangen.
Ich war schon als junges Mädchen an der Folkwang-Schule in Essen. Ich wurde als Theaterschauspielerin ausgebildet und entsprechend gefordert. Das ist natürlich ein Unterschied zu der Arbeit für eine Fernseh-Serie.
Und aufgrund dieser Ausbidung wurden Sie ein gefeierter Theater-Star und spielten praktisch in allen großen Häusern der Republik. Hamburger Schauspielhaus, Münchener Kammerspiele, unter anderem.
Das war eine geile Zeit, vor allem in München. Die Leuten standen nach den Vorstellungen und johlten vor Begeisterung. Das war immer ein riesiges Getöse. Wir hatten auch tolle Regisseure: Dieter Dorn und Ernst Wendt. Das wird der jüngeren Generation natürlich nichts mehr sagen. Schade eigentlich. Das war ein tolles Arbeiten. Man hat uns richtig gefordert, als wir die großen Dramen von Shakespeare spielten, die Stücke von Kleist. Und wir hatten als Schauspieler viel größere Freiheiten, als man sie einem jetzt einräumen würde. Wir konnten improvisieren, wenn wir unsere Rolle erstmal besser kannten. Wir hatten überhaupt viel mehr Zeit, uns mit unserer Rolle und den Stücken, die wir spielten, zu beschäftigen. „Warum hat Kleist das so geschrieben? Was will er uns damit sagen?“ Diese Zeit gibt einem niemand mehr, auch nicht am Theater.
Beim Fernsehen schon gar nicht.
Genau. Und das ist ein Aspekt der Arbeit, von dem ich sage: Das kann man nicht lernen. Ich hatte bei ‚Hinter Gittern’ immer einen leichten Stand, weil ich schnell in die Situation und in die Rolle schlüpfen konnte. So konnte schnell gedreht werden. Heute sagt man: „Na, das kann doch jeder“ und jeder Depp denkt „Na, wenn ich beruflich gar nix mehr gebacken kriege, kann ich immer noch Schauspieler werden.“
Warum sind Sie trotzdem zum Film und ins Fernsehen gegangen, wenn es am Theater so eine tolle Zeit war?
Also, in den allerersten Jahren und Jahrzehnten war das fast nicht möglich. Ich hab in den 60er und 70er Jahren die Zeiten erlebt, wo es verpönt war, was fürs Fernsehen zu machen. Das war igitt, das war bäh. Aber auch das war eine Entwicklung, die sich nicht aufhalten ließ: das Fernsehen zahlte einfach besser. Und wer wollte da noch Theater machen, bei den miesen Gagen und den Arbeitszeiten? Du warst ja damals als Theater-Schauspieler völlig desozialisiert. Geprobt und gespielt wurde auch an Sonn- und Feiertagen. Und zu Weihnachten musstest du noch die Weihnachtsgeschichte spielen. Danach wartet zu Hause keiner mehr auf dich.
Ihre Fernseh-Karriere begann mit der ARD-Serie ‚Der Fahnder’, nebenbei spielten Sie aber weiter Theater?
Ja, die Bavaria, die den ‚Fahnder’ produzierte, hat sich irgendwie mit den Münchener Kammerspielen arrangiert, so, dass ich beides konnte. War aber natürlich auch stressig. Morgens um 5 Uhr stehst du auf und arbeitest an mehreren Baustellen bis Mitternacht durch.
Hart…
Eine Zeit lang hält man das schon aus. Und ‚Der Fahnder’ war auch gut gemacht, wir waren erfolgreich. Das wissen viele gar nicht mehr, dass Dominik Graf die Serie gemacht hat. Und viele Schauspieler hatten im ‚Fahnder’ ihre ersten großen Auftritte. Otto Sander, Dieter Pfaff.
Und Klaus Wennemann, der als ‚Fahnder’ berühmt wurde, spielte dann auch bei ‚Hinter Gittern’ ihren Ehemann.
Stimmt, ich war im ‚Fahnder’ seine Freundin. Und für ‚Hinter Gittern’ hat man ihn wohl ausgewählt, weil man wusste, dass wir gut miteinander spielen können. Ein toller Schauspieler, viel zu früh verstorben.
Im ‚Fahnder’ spielten Sie von 1984-1993, danach wieder Theater?
Ja, aber schon in diesen Jahren machte ich noch mehr Sachen fürs Fernsehen, drehte einen ‚Tatort’ mit Dominik Graf. Nach 91 Folgen ‚Fahnder’ war´s dann auch genug. Ich ging dann nach Hannover ans Theater.
Und dann kam ‚Hinter Gittern’.
Ein ehemaliger Produzent vom ‚Fahnder’ rief mich eines Tages an und sagte: „Du, wir sitzen hier grad zusammen und entwickeln da eine völlig neuartige Serie. Und wir haben da eine Rolle, die würden wir gerne mit dir besetzen.“
Also kein Casting und Uschi König, Ihre Rolle, stand quasi schon für Sie bereit?
Genau. Ich war in Berlin, hörte mir die Vorstellungen der Produzenten an und fand grundsätzlich die Sache reizvoll. Und ganz profan gesagt: ich konnte auch das Geld gut gebrauchen. Ich war damals geschieden und alleinerziehende Mutter. Mein Sohn war damals 8 und ich hab den Leuten gesagt: „Wenn ihr mich wollt und ich sofort drehen soll: dann organisiert meinen Umzug, besorgt mir ein Au-Pair für meinen Sohn, dann mach ich´s.“
Was genau hat sie an dem Projekt gereizt?
Zunächst ganz klar die Idee: eine Serie, die im Knast spielt, gab es noch nicht. Ich war sehr neugierig, was in dieser Konstellation, auf engstem Raum, für Geschichten möglich sind und was man erzählen kann. Und der Cast hat mich überzeugt: so viele Frauen auf einem Haufen bedeutete beim Theater immer auch Stutenbissigkeit. Das war bei ‚Hinter Gittern’ nicht so. Wir haben alle bedingungslos zusammengehalten. Das hat sich natürlich irgendwann geändert, als Rollen ausgetauscht wurden und der Erfolg dann plötzlich kam.
Hatten Sie Einfluss auf Ihre Rolle?
Nein, die stand schon. Natürlich noch nicht in der kompletten Entwicklung, Man plante ‚Hinter Gittern’ ohnehin erstmal kurzfristig. Dass man dann teilweise 6-7 Millionen Zuschauer hatte, war ja nicht abzusehen. Uschi König war im Grunde erstmal nur als Gegenpart zu Walter aufgebaut. Es gab zwei Gruppen im Knast, die Uschi und Walter anführten. Uschi hatte die Ängstlichen und Dummen, Walter hatte immer die etwas Cooleren, die spannenderen Charaktere. Und erst später entwickelte es sich so, dass Uschi und Walter nicht nur immer auf Konfrontation gingen, sondern sich anfreundeten, weil sie feststellten, dass sie einander brauchen. Und es waren diese Momente, die ‚Hinter Gittern’ so gut werden ließen: weil man viel Platz hatte, um Beziehungen zu erklären und aufzubauen.
Walter war Katy Karrenbauer…
… mit der hatte ich meine schönsten Szenen.
Ihre Lieblings-Szene?
In der Folge, als Uschi beschließt, den Drogendealer ihrer toten Tochter zu erschießen. Irgendwie hatten damals Uschi und Walter eine Pistole auf Station, ich glaub, die kam noch von Zöllner. Damit keiner was mit der Pistole anfangen und Schaden anrichten kann, einigten sich die beiden Gruppenköpfe darauf, sie sich zu teilen. Uschi hatte die Pistole, Walter das Magazin. Und dann gab es eine Szene, wo Uschi Walter überreden will, ihr das Magazin zu geben. Und Walter sagt dann: „Uschi, ich weiß, was du vorhast.“ Toll war das. Aber auch andere Szenen: als Walter auf der Flucht ist und in Uschis Übergangsheim auftaucht und Uschi durch ihre Hilfe die Ehe mit ihrem Lorenz gefährdet.
Meine Lieblingsszene von Uschi ist die, wo Sie Walter vor der Personaluntersuchung retten will…
Ohja. Walter hat sich für ihre Rache an Baumann als Schließerin in den Knast geschmuggelt, Uschi wusste natürlich bescheid und spielte die Irre, die wieder in die Psychiatrie muss. „Hallooooo. Walter ist wieder daaaaa. Haaaaallooooooo.“ So hat sie Walters Identität geheimgehalten.

Sehe die Szene grad vor mir. Sehr beeindruckend gespielt. Und die Stimme der Freier: ergreifend authentisch. Genau wie damals in der Szene.

Aber wenn man da fünfmal die Karrenbauer schleppen muss und „Haaaaalloooo“ brüllen muss, ist das dann auch kein Spaß mehr. 
War lange "Hinter Gittern": Barbara Freier, Serienheldin.
War Uschi Ihnen eigentlich sehr nahe?
Nicht immer. Uschi war mir im Grunde zu langweilig. Sie war die Gute, die Mutti im Knast, die immer zuhörte und für andere da war. Mir fehlten die Risse im Charakter, die kamen mir zu selten. Als sie dann später mit Dr. Strauss verheiratet war und draußen lebte, schmierte sie ihm noch die Butterbrote. Ich mein, hallo?? Das ist eine Frau mit einem hohen kriminellen Potential gewesen. Die hat während eines Freigangs einen Drogendealer am Grab ihrer Tochter erschossen. Und trotzdem hat man sie zu oft als die Gute dargestellt.
Uschi war aber auch immer die Kämpferin für Gerechtigkeit und hat sich für Schwächere oder die Belange der Gruppe eingesetzt, gegen Obrigkeiten gekämpft, sich mit der Gefängnisleitung angelegt.
Uschi hatte im Grunde eine große Sehnsucht nach Harmonie. Und immer, wenn es grad sehr harmonisch war, siehe die Ehe mit Dr. Strauss, hat sie es verbockt. Da war dann mal ein Riss drin, als sie wieder durchdrehte. Aber dann steckte man sie einfach wieder in den Knast und die Geschichte war vorbei. Das war schade.
Hatten Sie die Möglichkeit, während der Produktion Einfluss zu nehmen auf Uschis Entwicklung?
Überhaupt nicht. RTL hat später am laufenden Band die Autoren ausgewechselt. Die waren kaum geschult, wurden aber engagiert, weil sie in kurzer Zeit ganz viel schreiben konnten. Man muss dazu sagen: auf dem Gelände, wo wir täglich gedreht haben, war auch die gesamte Produktion untergebracht, alle Büroräume. Und dann kriegte man die neuen Drehbücher, liest sie sich durch und stellt fest: „Das ist nicht Uschi König, die da spricht.“ Ich ging dann runter zu den Autoren und sagte „So würde Uschi König nie reagieren. Kennt ihr die Rolle überhaupt, ihren Verlauf, wisst ihr, dass sie mal in der Psychiatrie war?“ Da kam als Antwort „Aber wir sind doch neu.“ Da könnte ich ausflippen.
Haben Sie es getan?
Naja, die Produzenten sagten dann immer „Ihr sollt nicht denken, ihr sollt spielen.“ Die haben irgendwann nicht mehr verstanden, wie ‚Hinter Gittern’ funktioniert. Nur ein Beispiel: die Hauptzielgruppe waren, das merke ich noch heute, wenn mich jemand auf der Straße anspricht, Frauen um die 50. Diese Zielgruppe interessiert aber RTL nicht. Die wollen die jungen Leute ansprechen. Und zwar nur die Jungen. Was ist das bitte für eine menschenverachtende Entwicklung? Aber so ging RTL ja auch mit uns Schauspielern um.
Menschenverachtend?
Aber hallo. Die Produktionsbedingungen wurden von Jahr zu Jahr schlechter. Es musste immer billiger und schneller werden, weil RTL nicht wusste, wie man Werbekunden für ‚Hinter Gittern’ gewinnen soll. Also mussten die Produktionskosten gesenkt werden. Es wurde sogar an der Beleuchtung gespart. Die war in den Räumlichkeiten eh schon nicht gut – und dann wurde daran nochmal gespart, dass man im Gesicht am Ende auf dem Bildschirm aussah wie Laterne unten, wo die Hunde dranpinkeln. Und man hatte immer dieses latente Gefühl, dass die Verantwortlichen  sagen „Was können die da eigentlich?“. Das war schade, denn ‚Hinter Gittern’ war jahrelang auch richtig gut.
Auch wenn einige Geschichten schon sehr weit hergeholt waren?
Ja, teilweise haben wir Grimms Märchen verfilmt. Allein die ganzen Geschichten um Walter. Einmal kommt sie selbst als Schließerin verkleidet zurück, dann kommt ihr Zwillingsbruder als Austausch für sie in den Knast. Aber da hatte man wenigstens noch was zu lachen, wenn du solche Bücher gelesen hast.
Wo verging Ihnen das Lachen?
Ach, später hat man zu viele Geschichten parallel erzählt. Die Stärke der Serie war zunächst, dass man Geschichten, ja, sogar einzelne Szenen länger ausgehalten hat. Das hat man irgendwann gekappt. Weil die ständigen wechselnden Verantwortlichen immer was Neues haben wollten. Dann gabs mal eine Ugly-Phase, wo die Storys härter wurden. Dann musste aber später wieder alles ganz weich und harmonisch sein, danach aber wieder ugly. Am Ende hab ich mich fast geschämt, dass ich überhaupt noch weitergemacht habe.
Wieso das?
In den letzten drei Jahren hat man mir immer gesagt: „Wir wissen einfach nichts mehr mit dir und deiner Rolle anzufangen. Uschi ist zu dick und zu alt.“ Wie gesagt: man hat selten mal verstanden, das Potential aller Frauen in dem Knast mal auszuschöpfen.
Dabei hatte Uschi noch eine gute Story, rund um die „rote Mamba“.
Stimmt, das war wirklich nochmal gut. Da hatte ich auch zwei tolle Szenen mit meiner Gegenspielerin, die von Peggy Lukac gespielt wurde. Super. Aber danach fand Uschi nicht mehr statt. War aber auch gut so. Weil man am Ende so viel falsch gemacht hat.
Was hat man falsch gemacht, so dass Sie Sich schämten, nicht aufgehört zu haben?
Schämen war vielleicht der falsche Ausdruck. Aber so im Nachhinein würd ich es für mich persönlich toller finden, wenn ich sagen könnte: ich hatte einen richtig guten Abgang. Den hatte ich nicht. Was man falsch gemacht hat? Nun, zum Ende hin fast alles. Man findet auf der Station eine Bombe, die Walter über die Mauer werfen will – und alle rennen hinter ihr her. Ja, bitte, das passt doch nicht. Und von der letzten Staffel will ich gar nicht erst reden. Da fing es mit der falschen Besetzung schon an. Die neue Direktorin hätte bestenfalls einen Kirchenchor leiten können, da hat man völlig falsche Charaktere entwickelt. Und der Kardinalfehler: man hat alle Geschichten nur noch angerissen und nicht auserzählt, sondern irgendwann fallenlassen. Das hat keinen Spaß mehr gemacht. Aber RTL meinte: „Das wollen die Leute sehen.“ Falsch! Damit hat RTL die Serie umgebracht.
Abschließend gefragt: war ‚Hinter Gittern’ ein Segen oder ein Fluch?
Vermutlich eher ein Segen. Ich hab dadurch viel gelernt. Da passt auch der Satz von Nietzsche wieder. In gewisser Weise kann man also sagen: ich fahre grad meine Ernte ein. Ich hab in all den Jahren nicht schlecht verdient. So dass ich ohne schlechtes Gewissen aufhören konnte.
Und ab und zu nochmal als Sprecherin aktiv sind?
Aber die zahlen ja auch nicht mehr gut. Wenn du da einen Auftrag hattest, musst du auch teilweise lange auf deine Gage warten. Ich sagte ja schon: das ist allgemein eine schlechte Entwicklung, weil es nur noch um Macht und Geld geht.
Aber Verbitterung klingt da nicht mit?
Keineswegs. Ich hab diese Entscheidungen auch alle bewusst getroffen. Und jetzt grad bin ich wieder mal an einem kleinen Knackpunkt in meinem Leben: mein Sohn zog aus, meine Eltern kommen ins Pflegeheim. Und ich  merke: „Freier muss nochmal durchstarten.“
Wie macht Freier das?
Freier gibt Ruhe, schläft viel und verlässt sich auf ihre Intuition. Irgendwas wird da sicher noch kommen, was ganz toll wird. Man soll ja auch nie nie sagen.

Ein schöner Abschluss wäre das. Klar. Aber: noch haben wir sechs Fragen.

Wen würden Sie gerne mal interviewen?
überlegt lange Gena Rowlands. Fast so eine Art Vorbild, in ihrer Art, zu spielen. Kennen Sie „Woman under influence“? Toller Film.
Ein Lied, Buch oder Film passend zu ihrer momentanen Lebenssituation?
Fällt mir zu allem was ein. Buch: „Die Klavierspielerin“ von Elfriede Jelinek. Film: Matrix Teil 1, ich sage nur: „Versuche nicht den Löffel zu verbiegen. Es gibt keinen Löffel, du verbiegst dich.“ Lied: alles von Eric Clapton. Als mein Sohn neulich auszog, kramten wir in alten Kisten und stießen auf alte Platten, die wir dann hörten. Eric Clapton, aber auch Cat Stevens und Annie Lennox: wunderbare Musiker. Und so sehr emotional.

Sie sang dann noch „Layla“ von Eric Clapton an. Stellen Sie Sich das bitte einfach irgendwie vor.

Was machen Sie jetzt direkt im Anschluss?
Ich gehe auf meinen Balkon, gieße die Blumen und mach mir was zu essen.
Beste Beleidigung, die Sie kennen?
Beleidigungen interessieren mich nicht. Wenn man Leute beleidigt, ist das immer ein Zeichen von Schwäche.
Was können Sie mir erzählen, was ich noch nicht weiß?
Sie wissen nicht, wie meine Wohnung aussieht.
Und ich werde es nie erfahren, weil Sie nie zu „Frauentausch“ oder zum „Perfekten Dinner“ gehen.
Das war jetzt aber nach dem ganzen Gespräch eine ziemlich dumme Frage.
Okay, letzte Frage: was darf ich Ihnen wünschen?

Sie überlegt. Klar. Später sagte sie noch „Nachher geht das noch in Erfüllung, damit muss man ja vorsichtig sein.“
Mal eben nachfragen:

War das jetzt auch eine dumme Frage?
Nein, gar nicht. Ich wünsche mir, noch etwas zu tun, was mich und andere noch begeistert.
Dann wünsch ich Ihnen das ebenso.
Vielen Dank.